Teil 3 bei Familie van Luckner

Wir kommen nach langer Zeit zur Familie van Luckner zurück und erhaschen zuerst einen Blick auf das wunderbare Staatstheater von der Sommernachtsbucht im Sonnenuntergang.


Doch wir wollen unsere van Luckners sehen, und die Geschichte wird, wie hier in der Sommernachtsbucht gewohnt, in der Vergangenheitsform geschrieben sein.

Während Ludowika im Sportzentrum an ihrer Sportkarriere bastelte, genoss es die inzwischen nicht mehr ganz so kleine Melissa, von den starken Armen ihres Papas getragen zu werden. Sie sah aus wie ihre Mama, doch sie hing sehr an ihrem Papa. Man mochte sogar sagen, dass sie ein echtes Papa-Kind war.

Als Vicky dann von ihrem Job nach Hause kam, fand sie ihre beiden Liebsten auch in Melissas Zimmer ausgelassen miteinander spielen. Was ihr Herz immer wieder erfreute. Hätte sie das anfangs, als sie mit Harald und Gustav in die WG gezogen war, gedacht, was für ein liebevoller Mann und Vater hinter Haralds breitschultriger Fassade steckte?

Sie begrüßte zuerst ihre Tochter, dann ihren Mann.

"Hallo, mein Schatz", begrüßte Harald seine Vicky. "Du siehst heute wieder besonders schön aus, weißt du das?". Vicky lächelte geschmeichelt.

"Nein, woher soll ich das denn wissen, wenn es mir keiner sagt", antwortete sie kokett und betrachtete ihren Mann, bei dem sie immer noch Herzklopfen wie zu Beginn ihrer Liebe bekam.

"Dann war es Zeit, dass ich es gesagt habe", meinte Harald und küsste seine Frau leidenschaftlich.

Danach drehte Harald seine Vicky übermütig in Melissas Zimmer herum.

Doch plötzlich wirbelte Harald Vicky so schnell, dass sie fast umgefallen wäre. Doch er hielt sie sicher fest, und zwar so mühelos, als wäre sie leicht wie eine Feder.

Wieder küsste er sie, und sie schmolz in seinen Armen.

"Weißt du eigentlich", begann Vicky, "dass ich keine Sekunde lang Angst hatte? In deiner Nähe kann mich einfach nichts erschüttern".

Später, als Melissa schlief und sie Zeit zu zweit hatten, kamen sie auf das Thema "zweites Kind" zu sprechen. Sie waren sich schnell einig, dass sie gerne ein weiteres Kind bekommen würden. Ein Geschwisterchen für Melissa wäre schön! Für Vicky war zwar klar, dass sie dann eine ganze Zeit auf die Erfüllung ihres Lebenswunsches warten musste, schließlich wollte sie eine Sportkarriere, und wer wusste denn schon, ob sie nach einer weiteren Schwangerschaft nicht wie ein Hefekloß auseinandergehen würde? Doch ein zweites Kind hatte oberste Priorität, weshalb sie in dieser Nacht einen Versuch starteten, dass sich dieser Wunsch erfüllen möge.

Doch wie sich leider herausstellen sollte, war dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt worden.

Also probierten es Vicky und Harald wieder.

Und wieder.

 

Es war zum Haare raufen! Während sich Melissa schon nach kürzester Zeit angekündigt hatte, wollte es jetzt einfach nicht klappen. Vicky wurde immer mutloser. Was war nur falsch dieses Mal?

Und auch wenn er es nicht sagte, so gingen auch an Harald die kurzen Nächte und langen Arbeitstage bei der Polizei nicht spurlos vorbei.

Und gerade, als sie sich vorgenommen hatten, nicht zu angestrengt an diese Sache ranzugehen und ihre Liebe wieder ungezwungen zu leben, wurde Ludowika von einer wohlbekannten Morgenübelkeit überrascht. Endlich hatte es geklappt!

Der Besuch beim Frauenarzt hatte dies bestätigt, und Harald und Vicky freuten sich riesig auf ihr zweites Kind.

Melissa machte es ihren Eltern leicht und lernte immer mehr. So begriff sie es recht schnell, allein auf das Töpfchen zu gehen, was eine enorme Erleichterung war.

Vicky nahm es auch mit einem Lächeln auf den Lippen zur Kenntnis, dass sie nun wieder von nächtlichen Hungerattacken geweckt wurde. Hier war es kurz vor 2.00 Uhr, als sie einen unbändigen Hunger auf Pfannkuchen verspürte. Weil sie ganz frische Pfirsiche gekauft hatte, verfeinerte sie diese noch damit. Herrlich!

Sie begannen auch schon recht früh, das zweite Kinderzimmer zu renovieren. Ludowika wollte auch nicht daran denken, dass hier in diesem Zimmer einst Gustav gelebt hatte. Würde es sie oder Harald wirklich von Herzen stören, hätten sie das Haus verlassen müssen, denn schließlich hatte er sich in allen Räumen hier aufgehalten. Doch es war ihr Haus, welches sie sehr liebten. Haralds, Melissas, das des kleinen Krümels in ihrem Bauch und ihres. Gustav war Vergangenheit. Punkt.

Melissa bekam von der Aufregung, bald ein Geschwisterchen zu haben, nicht viel mit. Sie spielte so gerne mit dem Xylophon.

Und Vicky liebte ihre Kleine sehr.

Harald genoss es, jetzt im Sommer mit seinem Motorrad auf Streife zu gehen. Doch so relaxt, wie das hier aussehen mochte, war es ganz und gar nicht. Er war sich seiner Verantwortung, bald für eine Person mehr sorgen zu müssen, durchaus bewusst, und arbeitete noch härter als davor.

Er war sich auch nicht zu schade, in Mülltonnen nach Beweismaterial zu wühlen.

Auch nahm er sich die Schreibarbeit nun immer wieder nach Hause mit. Vicky nahm dies alles mit einiger Besorgnis zur Kenntnis. Sie wusste natürlich, warum er das tat, aber sie wollte auf keinen Fall, dass er sich überarbeitete. Wenn sie eine gute Betreuung für die Kinder finden würden, würde sie so bald wie möglich wieder zu arbeiten beginnen, um ihn da nicht allein für das Familieneinkommen sorgen lassen zu müssen.

Wie schon bei Melissa liebte es Harald, mit dem Kind im Bauch Kontakt aufzunehmen.

"Na du Kleines, wie geht es dir heute?", fragte er sein ungeborenes Kind.

"Es sind mir keine Klagen zu Ohren gekommen", schmunzelte Vicky, während Harald ihren Bauch streichelte.

"Dann ist es ja gut", meinte er. "Und wie geht es dir heute?", wollte er dann von seiner Frau wissen.

"Auch gut so weit", antwortete sie, "Wenn nur nicht diese Rückenschmerzen wären".

Sofort begann Harald, Vicky zu massieren. Wenn sie sich entspannte, konnte er auch gut über das Gespräch berichten, dass er heute mit seinem Vorgesetzten gehabt hatte...

"Schatz?", fragte er vorsichtig, als er sie bereits einige Zeit massiert hatte.

"Hm?", machte sie wohlig.

"Der Chef hat mich heute zu sich gerufen", begann er.

"Ja? Was wollte er?", fragte Vicky interessiert. Harald massierte sie weiter, als er sagte:

"Er möchte mich befördern"

Vicky drehte sich zu ihrem Mann um.

"Wirklich? Das ist doch wundervoll!", freute sie sich ehrlich, weil er so den Lohn für seine Mühen der letzten Zeit bekommen würde. Doch er sah nicht so glücklich aus, wie sie sich gerade fühlte.

"Vicky, es gibt zwei Stellen, zwischen denen ich wählen kann. Das eine wäre in der Fachrichtung Forensiker, also in der Kriminaltechnik. Das andere...", er stockte kurz. Vicky musterte ihn.

"Das andere?", half sie ihm nach.

"Das andere wäre als Agent", ließ er dann die Bombe platzen. Und Vicky verstand sofort, warum er gestockt hatte. Agent sein - das bedeutete Gefahr. Lebensgefahr. Jeden Tag. Sie schluckte.

"Und wohin... wohin tendierst du?", wollte sie von ihm wissen und betete, dass er sich für den ruhigeren der beiden Jobs entscheiden würde.

"Ich weiß es noch nicht", gestand er. "Als Agent zu arbeiten wäre mit Sicherheit spannender", sagte er und Vicky nickte.

"Ja, das schon...", stimmte sie zu. "Du weißt, dass ich dich niemals in eine Richtung drängen würde, oder? Du sollst das machen, was dir mehr Freude machen würde".

Harald nahm sie in den Arm.

"Allein für diese Worte liebe ich dich", sagte er zu ihr. Und Harald versprach ihr, sich das alles in Ruhe zu überlegen.

Für Vicky waren die nächsten Tage aber nicht leicht. Diese Angst, er könne sich für den gefährlichen Agentenjob entscheiden, verfolgte sie ständig. Wenn er abends nach Hause kam, mit Melissa spielte, mit ihr kuschelte, dann wurde ihr erst recht bewusst, dass eine Entscheidung für den Agenten auch ihr ganzes Familienleben verändern würde. Wenn er Auslandseinsätze haben würde, wäre er tage-, vielleicht sogar wochenlang nicht hier. Undenkbar!

Melissa schaffte es jedoch immer wieder, Vicky auf andere Gedanken zu bringen. Die kleine Maus brabbelte nun schon immer mehr, es war einfach zu herzig zu hören, welche Bezeichnung manche Gegenstände von ihr bekamen.

Auch die Entwicklung seiner Kinder würde er nicht mehr so miterleben können als bisher. Vicky wusste natürlich, dass es viele Familien gab, in denen einer der Partner des Berufs wegen oft nicht zu Hause war, aber dass sie nun vielleicht auch mal dazu gehören würde, hätte sie nie gedacht. Und es war gut möglich, dass es so weit kommen würde, denn Harald selbst hatte gesagt, dass es spannender war, als Agent zu arbeiten. Warum sollte er sich also für das Unspannendere entscheiden?

Es war ein paar Tage später, als Harald seine Frau bat, mit ihm an den Strand zu gehen. An ihren Strand, der direkt hinter ihrem Haus war und den sie immer noch so oft es ging besuchten. Auch Melissa liebte es, hier im Sand zu spielen, und auch jetzt saß die Kleine fröhlich im Sand.


Harald sprach auch nicht lange um den heißen Brei herum.

"Schatz, ich denke, ich habe mich nun entschieden, welchen der beiden Jobs ich annehmen werde", sagte er.

Vickys Herz klopfte vor Aufregung. Die nächsten Minuten könnten ihr Leben verändern.

"Und für welchen hast du dich entschieden?", fragte Vicky mit einem unguten Gefühl im Bauch nach.

"Ich habe mit Kollegen aus beiden Abteilungen gesprochen", sagte Harald. "Schließlich sollte so eine Entscheidung wohl überlegt sein. Die Agenten haben von Abenteuern erzählt, von denen man nicht mal als kleiner Junge zu träumen wagte, das ist ein sehr ungewöhnlicher Job. Aber auch die Kriminaltechniker erzählten von spannenden Einsätzen, von der Spurensicherung an Tatorten, die außergewöhnlich sind. Also würde mich auch hier ein spannender Job erwarten". Vickys Herz klopfte nun so laut vor Aufregung, dass er es hören musste. Sie konnte nichts sagen.

"Deshalb war es dann auch klar, für welchen der Berufe ich mich entscheiden würde. Wenn beide spannend sind, aber der eine keine lebensgefährlichen Einsätze mit sich bringt, dann entscheide ich mich natürlich für diesen. Außerdem möchte ich so oft es geht bei meiner Familie sein können". Vicky fiel ein riesiger Stein vom Herzen! Das hieß doch, dass er sich für den Kriminaltechniker entschieden hatte! Doch sie wollte sichergehen.

"Du gehst also in die Forensik?", hakte sie nach.

"Ja", bestätigte er.

Vicky fiel ihrem Mann um den Hals und küsste ihn stürmisch. Gott sei Dank! Was für eine Last nun von ihr gefallen war! Sie würde keine Angst um ihren Mann haben müssen. Nach dem Kuss sah Harald sie an.

"Du hattest Angst, ich könnte mich für den Agenten entscheiden, oder?", fragte er sie direkt. Und Vicky, die ihn natürlich nicht belügen wollte, sagte ehrlich:

"Ja. Aber das solltest du eigentlich nicht merken".

"Du bist eine schlechte Schauspielerin", lächelte Harald. "Ricarda könnte dir nie einen Job in einem ihrer Filme anbieten". Nun musste Vicky lachen.

"Da hast du vermutlich recht", stimmte sie ihm zu.

Und nicht ohne Stolz ging Harald nun mit seinen neuen Arbeitsklamotten zur Arbeit.

Der Sommer neigte sich langsam dem Ende zu. Die Temperaturen wurden kühler, Nebel streifte nun öfter das Land und der Regen tränkte die von der Sonne ausgetrockneten Wiesen und Felder.

Ludowika besuchte mal wieder ihre beste Freundin Ricarda Red, die zusammen mit ihrem Mann Sepp und den zwei Töchtern immer noch im Sammlerhaus lebte. Mit Ricarda konnte Vicky einfach alles besprechen. Auch heute hatte sie etwas auf dem Herzen, was ihr seit einigen Tagen durch den Kopf ging.

"Ricarda, wie ist das eigentlich bei euch: Du bist ja wegen Dreharbeiten öfter nicht zu Hause. Hast du das Gefühl, dass deine Kinder eher auf Sepp fixiert sind?", wollte sie von ihrer Freundin wissen.

"Eigentlich nicht", antwortete Ricarda. "Natürlich kann es schon vorkommen, dass sie eher nach ihm rufen, wenn etwas ist, eben weil sie es gewohnt sind, da er ja von zu Hause aus arbeitet. Aber sie freuen sich immer riesig, wenn ich von der Arbeit komme. Warum fragst du? Hat Melissa Probleme, bei Harald zu bleiben?". Vicky lachte auf und schüttelte den Kopf.

"Melissa ist total auf Harald fixiert. Das ist es ja, was mir ein bisschen Sorgen macht. Ich bin nicht weniger zu Hause als Harald, jetzt im Mutterschutz hat sie mich ja sogar viel öfter als ihn, aber wenn er da ist, bin ich schon fast abgeschrieben. Verstehe mich nicht falsch: Ich freue mich sehr für Harald, dass er so eine gute Beziehung zu seiner Tochter hat, und er genießt das auch absolut. Doch für mich...". Sie stockte. Wie hörte sich das denn an? Als wäre sie auf ihren eigenen Mann eifersüchtig! Doch so war es nicht.

"Du hast ein Problem damit?", fragte Ricarda.

"Nein, so ist es nicht. Ich bin nur... ich weiß nicht, was ich falsch mache, Ricarda. Was, wenn ich diese Fehler auch bei diesem kleinen Krümel hier mache?". Vicky strich sich über ihren Bauch. Jetzt verstand Ricarda.

"Vicky!", sagte Ricarda. "Du bist eine gute Mutter! Glaube mir, das hat nichts mit dir zu tun. Melissa ist eben ein Papa-Kind, das kommt doch nicht selten vor. Du musst dir keine Gedanken machen. Selbst wenn euer zweites Kind ebenfalls mehr auf Harald fixiert wäre, seid ihr trotzdem eine Familie. Mache dir bitte keine Sorgen!". Und Vicky taten die Worte ihrer Freundin mehr als gut.

"Wann ist es denn so weit?", wollte Ricarda wissen.

"Es könnte jeden Moment losgehen", sagte Vicky und fragte Ricarda, ob sie mal fühlen wolle. Was Ricarda gerne tat, auch wenn das Baby jetzt so kurz vor der Entbindung viel ruhiger geworden war.

"Ach, wenn man das so sieht und spürt, möchte man am Liebsten noch ein drittes Kind bekommen!", lachte Ricarda.

"Na, worauf wartet ihr dann noch!", lachte Vicky mit.

Als Vicky sich verabschiedete, umarmte sie ihre Freundin fest.

Und Vicky hatte bei Ricarda nicht übertrieben. Noch in der gleichen Nacht wachte sie mit Wehen auf. Harald war ebenfalls sofort wach, als er hörte, wie Vicky aufstand. Sie benachrichtigten den Babysitter, den sie schon Wochen zuvor gefunden hatten, damit der bei Melissa bleiben konnte, und machten sich in dieser Vollmondnacht auf den Weg ins Krankenhaus.

Die Geburt verlief problemlos, Harald war an Vickys Seite.

Und so kam der kleine Sohn von Vicky und Harald gut in der Sommernachtsbucht an.


Willkommen, kleiner Hendrik van Luckner!