F. von Simplaza

Es war einmal ein junger Prinz, der alles hatte, was sein Herz begehrte.

Doch der Prinz war verwöhnt, selbstsüchtig und unfreundlich.

Einst, an einem Winterabend, kam eine alte Bettlerin zum Schloss,

und bot ihm eine rote Rose, damit er ihr Zuflucht vor der bitteren Kälte gewähre.

Doch der Prinz belächelte ihre zerlumpte Erscheinung und schickte die Frau davon.

Doch sie warnte ihn, sich nicht täuschen zu lassen,

da man die Schönheit im Verborgenen findet.

Und als er sie wiederrum abwies,

schmolz die Hässlichkeit der alten Frau dahin

und eine schöne Zauberin kam zum Vorschein.

Der Prinz wollte sich entschuldigen, doch es war zu spät:

Sie hatte gesehen, dass es in seinem Herzen keine Liebe gab.

Zur Strafe verwandelte sie ihn in ein scheußliches Biest. (...)

Wenn er lernen würde, eine Frau zu lieben, und ihre Liebe zu gewinnen,

dann würde der Zauber gelöst sein.

Teilauszug Prolog "Die Schöne und das Biest" von Walt Disney, 1991

Hier saß F. von Simplaza an seinem Flügel und spielte gedankenverloren ein Stück. F. hatte schon lange seinen richtigen Vornamen abgelegt, alle kannten ihn nur noch mit diesem einen Buchstaben. Natürlich rätselte die Welt, wie er richtig heißen könnte. Frank? Ferdinand? Fritz? Niemand wusste es, aber das machte nichts, denn F. beeindruckte die Menschen auch nur mit einem Buchstaben.

 

Er wohnte im teuersten Haus in Sommernachtsbucht, hatte die luxuriöseste Einrichtung und war in seinen jungen Jahren bereits zum Superstar aufgestiegen. Er war ein gefragter Schauspieler, was er ganz unbescheiden seinem guten Aussehen zuordnete. Geld hatte er in seinem unverschämt jungen Leben schon soviel verdient, dass er eigentlich gar nicht mehr arbeiten müsste. Und eigentlich drehte er Filme nur noch, um keine Langeweile zu bekommen.

 

Lernen? Sich weiterbilden? Das wäre eine gute Alternative meint ihr? Von wegen! Denn F. wusste alles, konnte alles, war ein Tausendsassa. Soviel dazu.

 

Nur: konnte das wirklich alles im Leben gewesen sein? Er war überzeugt, dass es so war. 

Natürlich hatte er viele Verehrerinnen, die er auch mal zu sich nach Hause einlud, um ihnen ein Ständchen vorzuspielen. Auch diese hier, Sara, war wohl ziemlich vernarrt in den jungen Mann und hoffte wohl, dass sie die Glückliche werden würde, die F. vor den Traualtar zerren konnte. Dann hätte sie ausgesorgt und würde ihren blöden Job als Paparazza an den Nagel hängen. Doch ernstere Absichten hatte er nie, er wollte seine Freiheit nicht aufgeben. Doch das wussten seine Verehrerinnen ja nicht.

Natürlich war F. auch sportlich, und seine gute Figur trainierte er regelmäßig durch weite Joggingtouren über die wunderbare Landschaft seines Wohnortes. Selbst da saß die Frisur perfekt, kein Haar lag verkehrt. Sein Haarspray war `ne Wucht, wie eben alles in seinem Leben.

Natürlich war er auch ein gern gesehener Gast in den verschiedensten Lokalen der Stadt. Schließlich war er ein Publikumsmagnet, und das bedeutete für die Wirte steigende Umsätze. Dass er dann immer wieder von diesen auf einen Drink eingeladen und manchmal sogar für seinen Besuch bezahlt wurde, häufte sein Vermögen immer mehr an. Was war das leicht verdientes Geld!

Man kannte ihn schon und plauderte gerne mit ihm, und auch er nutzte die Zeit für ein bißchen Smalltalk. Konnte ja nie schaden!

Natürlich wurde er auch oft für Partys gebucht, meistens von anderen Stars, die ihre Gästeliste hochkarätiger haben wollten. Doch was er auf dieser sogenannten Party hier sollte, wusste er beim besten Willen nicht! Die Gastgeberin hatte ihn kaum empfangen, da war sie auch schon in die Küche entschwunden, um zu kochen. Richtig, sie war ja eine Sterneköchin, was man ihr auch ansah, wie er belustigt dachte. Hm, dass diese seltsame Frau neben ihm sein Gespräch einfach unterbrach, um weiter in den antiken Fernsehen starren zu können, passte ihm nun gar nicht. Wer war diese Person überhaupt? Nie gehört! Diese Party verließ er dann unter einem Vorwand schon bald wieder.

Auf dem Rückweg kam er an einer Kneipe vorbei, die er noch gar nicht kannte, das "Flying Angels". Gut, es wunderte ihn nicht so sehr, dass er hier noch nie war, die Gegend war nicht die beste. Aber da keine Paparazzis in der Nähe waren, huschte er mal in den Laden. Ein netter Barkeeper begrüßte ihn und fragte, was er trinken wollte.

"Was ist denn eure Spezialität?", fragte F.

"Alles, was du willst", sagte der Barkeeper. Duzte der ihn doch glatt! Naja, vielleicht kannte man ihn in dieser Ecke auch nicht so richtig. Hier sah es aus, als könnten sich die wenigsten überhaupt einen Fernseher leisten.

"Ich lasse mich gern überraschen", sagte F. nur, weil er absolut keine Ahnung hatte, was so ein Provinzbarkeeper mixen konnte.

"Nun, dann gebe ich dir einen Party-Drink", sagte der Kerl und begann zu mixen. Party-Drink? Hier drin würde jede Aufputschpille einschlafen, aber F. sagte nichts weiter.

Später kamen dann tatsächlich noch andere Gäste, zwei Frauen, die ihn sofort erkannten. Die eine hatte zwei gute Argumente, warum er ihr ein wenig zuhörte. Die andere kam gerade von ihrer Schicht in einer Großküche und roch dementsprechend. Aber es hörte sich so an, als wenn es Fans von ihm waren, deshalb schenkte er ihnen großzügig ein paar Minuten seiner Zeit.

Das Gespräch schleppte sich dann auch dahin und er musste aufpassen, nicht auf der Stelle einzuschlafen. Puh, er fand, dass es nun Zeit war, nach Hause zu gehen. Nachdem er den beiden noch ein Autogramm gegeben hatte, verabschiedete er sich von ihnen und ging endlich in sein gemütliches Zuhause.

Der Morgen graute schon, als er endlich zu Hause war. Gott sei Dank! Was für ein verschwendeter Abend! Zuerst diese unsägliche Party bei dieser Köchin, dann diese heruntergekommene Kneipe. Diese Zeit fehlte ihm nun für seinen Schönheitsschlaf!

Es war nur ein paar Tage später, als es noch spät Abends an seiner Tür läutete. Nicht schon wieder so ein verrückter Fan, der bei ihm einziehen oder ein Kind von ihm wollte! Übellaunig ging er deshalb zur Tür und schaute zuerst durch die Glasscheiben hinaus. Als er dort eine alte Frau sah, entschloss er sich, ihr zu öffnen. Die war aus dem gebärfähigen Alter schließlich schon raus!

"Was wollen sie denn so spät?", fragte er grob und die Alte zuckte zusammen.

"Entschuldigen sie die Störung", sagte sie mit einer leisen, gebrechlichen Stimme. "Es tut mir sehr leid, wenn ich sie ungeschickt erwische", stammelte sie vor sich hin.

"Schon gut, was wollen sie denn?", fragte er immer noch unfreundlich. Dieses Gestammel ging ihm auf den Keks, und außerdem war er gerade dabei gewesen, seinen Whirlpool anzuschmeißen. Er brauchte jetzt Entspannung und keine wirr faselnde Alte.

"Es ist mir wirklich sehr unangenehm, sie das zu fragen...", sagte sie immer noch leise.

"Jetzt sagen sie doch endlich, was sie wollen!", unterbrach er sie wirsch. Also wirklich! Er war kurz davor, wieder ins Haus zu gehen und ihr die Tür vor der Nase zuzuknallen.

"Na schön", fasste sie sich nun ein Herz und begann zu erzählen: "Ich hatte vor ein paar Monaten richtig viel Pech und habe alles verloren, was mir lieb und wichtig war. Selbst neue Schuhe kann ich mir nicht kaufen, und nachdem die alten voller Löcher waren, gehe ich nun barfuss. Nun soll es heute Nacht aber sehr kalt werden, und da habe ich mich gefragt, ob sie so freundlich wären, mich aufzunehmen. Ihr Haus sieht groß aus, und ich bin nicht wählerisch. Selbst wenn sie kein zweites Bett haben sollten, wäre das nicht schlimm. Ich schlafe auch auf einer Couch oder einem Teppich. Hauptsache, ich muss heute nicht draußen schlafen wie in den letzten Monaten". Ihm blieb zuerst die Spucke weg. Was wollte diese Verwirrte?

"Ja, sehe ich denn wie die Wohlfahrt aus?", fragte er sie.

"Nein, und es beschämt mich, sie das fragen zu müssen. Aber ich fürchte, dass es meiner Gesundheit sehr schädlich werden wird, wenn ich heute auf einer Parkbank schlafen muss"

"Dann suchen sie ein Obdachlosenheim auf, soetwas gibt es doch in jeder guten Stadt, nicht wahr?", schlug F. unfreundlich vor. Also, so ging das ja nicht, da könnte ja jeder kommen! Man stelle sich vor, wenn er alle Obdachlosen bei sich aufnehmen würde, dann hätte er sicher keinen Platz mehr zum Stehen hier. Nein, es gab Grenzen, und die wurden gerade überschritten.

"Ich weiß nicht, ob es in Sommernachtsbucht ein Obdachlosenheim gibt, ich habe noch keines gesehen. Gäbe es eines, wäre ich nicht hier", erklärte die Alte.

"Dann müssen sie etwas anderes suchen. Hier können sie nicht schlafen", sagte F. und drehte sich schon herum.

"Ich bitte sie!", sagte sie flehend. "Wenn ich andere Kleidung hätte, würden sie mich nicht abweisen! Aber das sind nur Äußerlichkeiten!". F. drehte sich noch einmal herum, und sagte spottend:

"Das sind nicht nur Äußerlichkeiten. Das ist alles im Leben! Wenn ich nicht so aussehen würde, wie ich aussehe, wäre ich niemals so weit gekommen!". Dabei strich er sich über seine weichen, gepflegten Haare. "Und jetzt gehen sie endlich! Sie haben mir schon viel meiner kostbaren Zeit gestohlen!". Damit drehte er sich nun endgültig um, machte die Türe auf und hatte diese seltsame Frau schon vergessen. Doch bevor die Tür wieder ins Schloss fiel, hörte er ein seltsames Rauschen, es knallte und plötzlich wurde es ganz hell. Erschrocken drehte er sich um und konnte nicht glauben, was er sah.

Eine wunderschöne, elfengleiche Frau stand dort, wo gerade noch diese Alte gestanden war. Sie strahlte regelrecht von innen heraus und sah ihn ernst an.

"Fuchur, du bist ein kaltherziger Mensch geworden!", sagte sie mit engelsgleicher Stimme.

"Ich heiße nicht mehr Fuchur", sagte er einfallslos und konnte sie nur anstarren.

"Ja, so wie du deinen Namen geändert hast, so hast auch du dich geändert! Du hättest mich, eine hilfesuchende Frau, tatsächlich in die Kälte geschickt! Es wäre dir egal gewesen, wenn ich erfroren wäre! Aber du sollst eine Lektion erteilt bekommen, Fuchur. Ich sehe mir das nun schon lange mit an, wie du immer härter, kaltherziger und unverschämter geworden bist. Doch das wird nun ein Ende haben!"

Schlagartig wurde ihm der Ernst der Lage bewusst. Egal, was sie auch immer sein möge, Zauberin, Fee, was auch immer, aber sie konnte zaubern, sie hatte besondere Kräfte. Und die würde er nun zu spüren bekommen! Kalte Panik stieg in ihm auf, eine solche Angst, wie er sie nie zuvor gefühlt hatte.

"Nein, bitte!", sagte er nun flehend zu ihr. "Ich werde mich ändern! Ich werde nun auch auf die Armen acht geben. Ich werde für die Sommernachtsbucht ein Obdachlosenheim bauen lassen! Dann braucht niemand mehr Angst vor einer kalten Nacht haben!". Doch sie schüttelte den Kopf.

"Damit ist es nicht getan! Du wirst trotzdem der gleiche bleiben, und in einer Woche hast du diesen Schwur sowieso wieder vergessen"

"Nein! Nein, ich schwöre es! Ich werde es nicht vergessen! Bitte, geben sie mir eine Chance!". Er presste die Hände so fest bittend zusammen, dass seine Knöchel bereits weiß hervorstachen. Doch die Zauberin sah ihn nur noch ein paar Sekunden an, bevor sie einen Spruch murmelte, der ihm durch Mark und Bein ging. Dann - geschah etwas. Es tat nicht weh, war nur sehr unangenehm für ihn. Er hatte sogar das Gefühl, leicht zu schweben. Was zum Teufel passierte hier?

Irgendwann, er wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, da er jegliches Zeitgefühl verloren hatte, war es vorbei. Er stand wieder mit beiden Beinen auf der Erde und wusste, dass er noch er selbst war. F. von Simplaza, reich, schön, berühmt. Hatte sie ihm nur einen Schrecken einjagen wollen?

"Ich habe deine äußere Erscheinung verändert, Fuchur. Du wirst nichts dagegen machen können, kein Friseur der Welt, kein Schneider dieser Erde, wird dich ändern können. Dieser Zauber wirkt so lange, bis du gelernt hast, was innere Schönheit bedeutet".

"Was soll das heißen?", fragte er misstrauisch und griff sich in seine Haare. Erschrocken nahm er seine Hände wieder weg, als er in verfranzte, fettige Haare griff. "Oh Gott, was hast du mit mir gemacht?", fragte er panisch. Dann bekam er seinen Vollbart zu spüren, und er kreischte los:

"Ich habe Fusseln im Gesicht! Mach` die da weg! Ich kann das nicht leiden! Und meine Klamotten! Was sind das für Klamotten???"

"Du siehst nun äußerlich so aus, wie du dich mir eben innerlich präsentiert hast. Und nichts kann dies ändern, denke immer daran! Nur eine einzige Sache: Bringe eine Frau dazu, dich so zu lieben, wie du bist. Mit diesem neuen Äußeren. Zeige ihr, dass die inneren Werte wichtiger sind! Dann wird der Zauber wieder gelöst sein!"

"Was? Wie könnte sich eine Frau so in mich verlieben?", fragte F. verzweifelt. Er würde ewig so herumrennen müssen!

"Zeige ihr deine innere Schönheit, nur auf diese kommt es an! Und ich wünsche dir, dass du die schnell erlangst", sagte die Zauberin.

Mit diesen Worten drehte sie sich dann um und ging hinaus in die Nacht.

F. war zutiefst verzweifelt und schottete sich komplett ab. Seine Filmprojekte legte er unter fadenscheinigen Vorwänden auf Eis, so konnte er schließlich nur noch die Monster in den Filmen spielen, und wer wollte das sehen?

 

Natürlich ließ er sich verschwiegene Top-Stylisten und Designer ins Haus holen, damit sie ihn wieder herstellen sollten. Aber es war zum verrückt werden: Wenn die Haare geschnitten waren, wuchsen die rasend schnell in ihre ursprüngliche Form zurück. Wenn er sich umzog, hatte er eine Sekunde später wieder diese Fetzen am Leib.

 

Irgendwann sah er es ein: Niemals würde er wieder auf Partys gehen können, niemals seinen Starrummel genießen. Sein Leben war vorbei.

Was ihn nochmal so hart traf, war die Tatsache, wie austauschbar er war.

 

Nachdem er wochenlang in den Zeitungen gestanden hatte, mit solch reißerischen Überschriften wie: "Wurde unser liebster Star F. von einem Ufo geholt?", "Wurde F. entführt?", "Wo steckt F. in diesem Moment?", "Immer noch kein Lebenszeichen von F.", schien er so langsam in Vergessenheit zu geraten. Man hatte einen neuen Star erkoren, einen Dummbeutel, der keine Ahnung von diesem Geschäft hatte und blöde in die Kameras grinste. Von F. sprach nach nur drei Monaten niemand mehr.

 

Das war die Zeit, als er sich nachts wieder aus dem Haus traute, um aus den immer enger gewordenen vier Wänden zu kommen. Geangelt hatte er schon Ewigkeiten nicht mehr, und nun frönte er diesem alten Hobby sogar mit Spass. Und er machte sich so langsam darauf gefasst, dass das nun seine Zukunft war.

 

Was ihn wieder in ein schwarzes Loch fallen ließ.