Sepp Sammel

Hier sind wir zu Gast bei Sepp Sammel. Sepp war ein Einzelgänger und hatte bisher in seinem Leben schon viel Pech gehabt. Hier steht er selig vor seinen zwei Regenbogenschmetterlingen, die er in seiner Tollpatschigkeit vor kurzem im Haus verlegt hatte. Wie das passieren konnte, wusste er gar nicht mehr.

 

Doch noch ein anderes Problem plagte ihn: Er hatte sich verliebt. An sich ja etwas Schönes, doch seine Traumfrau war unerreichbar für ihn. Die Freche hatte er seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen, was der Grund war, weshalb er sich immer mehr verschloss.

Da er so menschenscheu geworden war, hatte er angefangen, sich seinem Hobby voll und ganz zu widmen. Hier sehen wir ihn in seinem Schuppen inmitten seiner gesammelten Insekten. Jedes einzelne dieser Tiere lag ihm am Herz. Wenn dieser Platz schon nicht von einer Frau eingenommen wurde...

Sein unglaubliches Wissen über Insekten brachte ihn auf die Idee, Sachbücher zu schreiben. Schon sein erstes Buch: "Der Schmetterling - das unbekannte Wesen" verkaufte sich sehr gut. Sein zweites: "Mit dem Käfer auf Du und Du" kam auf der Bestsellerliste sogar auf den ersten Platz.

 

Wenn er nicht mit Sammeln oder Schreiben beschäftigt war, erfand er gerne auch mal verrückte Dinge. Doch in letzter Zeit hatte er dazu immer weniger Zeit. Nunja, man konnte nicht alles haben.

Auch heute war er wieder in Sachen "Insekten" unterwegs. Er hatte ja schon eine beträchtliche Sammlung, allerdings fehlten ihm immer noch ein paar seltene Exemplare. Hier, an diesem Tümpel, war er noch nie gewesen und vielleicht hatte er ja Glück. Leise schlich er deshalb durch das Unterholz, die Augen suchend auf den Boden und auf die Pflanzen gerichtet, um nach Käfern oder Schmetterlingen Ausschau zu halten.

Auch eine andere Person hatte sich an diesen stillen Ort verirrt. Das hier war Ricarda Red, eine berühmte Schauspielerin.

"Verdammte Paparazzi!", fluchte diese junge Frau immer wieder vor sich hin. "Blöde Schreiberlinge! Was fällt denen ein?". Wutschnaubend stapfte sie über die Wiese und bemerkte nichts um sich herum.

Plötzlich kreischte sie auf:

"Iiiih! Ein Monster! Hilfe!". Ihr Hilferuf war laut genug, dass diesen auch Sepp hörte. Schnell ging er nachschauen, was passiert war, weit entfernt war es nicht gewesen.

Schon nach kurzer Zeit war er bei ihr.

"Was ist passiert?", fragte er alarmiert.

"Hier, ein ekliges, grünes Monster!", sagte diese Frau in einer sehr hohen Stimme. Völlig hysterisch. Sepp suchte zuerst in dem Tümpel nach einem Seeungeheuer, was dieses Monster nach dem Kreischen nach ja mindestens sein musste. Doch er konnte nichts sehen.

"Hier, hier unten, direkt vor mir!", stammelte die Frau und schien bereits zu hyperventilieren. Nun sah Sepp vor die Füsse der Frau und konnte nicht fassen, was er sah.

"Ein Vireo lucidus cantharis!", sagte er ehrfürchtig.

"Was?", fragte diese hysterische Person. Sepp seufzte.

"Ein grüner Leuchtkäfer. Und sie machen hier ein Theater wegen eines kleinen Käfers?", fragte er ungläubig.

"Ich mache kein Theater! Zumindest nicht mehr", fügte sie hinzu. "Und bei solchen Tieren kann man ja nie wissen, oder? Viele davon sind doch giftig!".

"Nun, dieser hier ist zwar auch leicht giftig...", ihre Augen wurden schon wieder erneut groß vor Angst, "... deshalb ja auch der lateinische Name cantharis für Giftkäfer. Aber für uns Menschen ist er ungefährlich. Es sei denn, sie wollten ihn essen", fügte er trocken hinzu.

"Iiiih!", machte diese Person schon wieder.

"Jetzt seien sie doch mal ruhig! Sie verjagen mir ja alle Tiere im Umkreis von 10 Kilometern!", sagte Sepp genervt. Was für ein Frauenzimmer. Ricarda glaubte, ihren Ohren nicht mehr trauen zu können. Wie redete diese Brillenschlange eigentlich mit ihr? Wusste er denn nicht, wen er vor sich hatte?

"Sagen sie mal, erkennen sie mich denn gar nicht?", fragte sie deshalb auch höchst pikiert. So konnte er schließlich mit einem Dienstmädchen reden, aber doch nicht mit ihr!

"Ähm...", machte Sepp, "sollte ich? Tut mir leid, ich kenne sie nicht". Damit war für ihn wohl das Thema erledigt, denn er begann, in seinen Taschen zu wühlen. "Wo habe ich denn nur die Box?", murmelte er dabei vor sich hin.

Ricarda verstand die Welt nicht mehr. Dieser Typ schien sie tatsächlich nicht zu kennen! Alle Welt verfolgte sie auf Schritt und Tritt, und dieser Kerl hier schrieb ihr vor, wann sie kreischen durfte und wann nicht!

"Ah, ich habe sie!", sagte der Mann plötzlich und hielt triumphierend eine durchsichtige Plastikbox in die Höhe. Danach suchte er sofort den Boden ab. Immer hektischer drehte er sich nun auch im Kreis, um vermutlich diesen Käfer zu suchen. "Wo ist er denn jetzt hin?". Auch Ricarda senkte ihren Blick, doch auch sie konnte nur feststellen, dass dieser - wie hieß er noch? Dieses grüne Giftteil nicht mehr hier war.

"Ich... ich weiß nicht", sagte sie dann, nur um mal wieder etwas zu sagen.

"Ach, Mist!", fluchte nun auch Sepp. Das hatte noch gefehlt! Der Vireo lucidus cantharis, verscheucht durch ein hysterisches Frauenzimmer! "Jetzt ist er weg", sagte er resigniert und blickte sie mit einem Blick an, der wohl sagen sollte: "Und sie sind schuld!". Das konnte sie unmöglich auf sich sitzen lassen.

"Hören sie", begann sie deshalb, "ich weiß nicht, was sie für ein Problem wegen dieses kleinen Käfers haben, aber ich finde, dass sie deshalb nicht alle guten Umgangsformen außer Acht lassen sollten!"

"Ach ja?", fragte er. "Wissen sie was? Sie gehen einfach weiter und dorthin, wo sie ursprünglich hinwollten und lassen mich in Ruhe nach meinen Insekten suchen, ja?". Sepp wollte sie so schnell es ging loswerden, schließlich hatte er wahrhaftig besseres zu tun als sich hier mit dieser Person herumzustreiten. Sie sah ihn erbost an.

"Hören sie endlich auf, mit mir zu reden, als wäre ich ein Niemand!", sagte sie hochnäsig, was Sepp nicht im Geringsten beeindruckte und dies auch deutlich zum Ausdruck brachte. Doch er winkte nur ab, drehte sich herum, murmelte noch so etwas wie: "Auf Nimmerwiedersehen" und ließ sie einfach stehen. Ricarda war zuerst völlig perplex, dann drehte auch sie sich um und ging davon. Und sie hoffte, dass sie diesen Menschen schnellstmöglich vergessen konnte.

Sie war so schnell unterwegs, dass sie fast auf einen leuchtend grünen Käfer getreten wäre. Abrupt blieb sie stehen und bückte sich nach dem Tier. ´Für Menschen ungefährlich` - das hatte er gesagt. Und er hatte getan, als wenn dieser Käfer etwas Besonderes wäre. Gut, auch sie konnte sich nicht erinnern, je einen solchen gesehen zu haben, also war er sicher recht selten. Diesmal ohne jegliche Angst nahm sie den Käfer vorsichtig auf ihre Handfläche und musste feststellen, dass er von Nahem noch schöner aussah. Sie stand wieder auf und blickte sich suchend nach diesem Mann um.

Schon fast versteckt vom Schilf fand sie ihn an dem Tümpel stehen.

"Ich habe ihn!", rief sie ihm triumphierend entgegen, obwohl er ihr vorhin noch gesagt hatte, dass sie nicht so schreien sollte.

"Was?", fragte er ungläubig.

"Ich habe ihn, diesen, äh... Leuchtkäfer!", sagte sie strahlend. War das ein schönes Gefühl! Nun erhellte sich auch sein Gesicht und er kam schnell näher.

"Wo ist er?", wollte er wissen, als sie bei ihm stand.

"Hier, ich habe ihn gefangen", sagte sie nicht ohne stolz und öffnete ihre Handflächen, auf denen der wertvolle Käfer ruhte.

"Fantastisch!", freute sich Sepp und holte sofort die Box aus seiner Hosentasche. Gemeinsam bugsierten sie den kleinen Käfer in die Box, Sepp verschloss sie dann sorgfältig und steckte sich die Box wieder ein. Nun standen sie wortlos voreinander. Über Sepps Lippen wollte einfach kein Danke kommen, deshalb fragte er unschuldig:

"Wo haben sie ihn denn gefunden?"

"Dort hinten, am Ende des Tümpels", antwortete die Frau.

"Ich habe sie gar nicht kreischen gehört", sagte Sepp ohne mit der Wimper zu zucken. Das hatte er sich nun nicht verkneifen können. Ricarda sah ihn kurz erbost an, dann sagte sie:

"Okay, ich war vorhin vielleicht ein bißchen laut, aber ich hatte mich zu Tode erschreckt!", entschuldigte sie sich nun.

"Schon gut!", sagte er und konnte nicht verhindern, das ein leichtes Lächeln über seine Lippen huschte. Dann räusperte er sich und sagte:

"Danke jedenfalls".

"Gern geschehen!", gab sie zurück. "Sind sie sonst noch fündig geworden?", wollte sie dann wissen.

"Äh, nein", sagte er perplex.

"Schade", meinte sie dann. "Sie sind ein Insektensammler, oder?"

"Ja, so könnte man sagen", antwortete Sepp.

"Sie spießen die armen Tierchen aber doch hoffentlich nicht auf Nadeln in einem Schaukasten?", fragte sie erschrocken. Sollte er ihr sagen, dass er das als Teeny tatsächlich noch so gemacht hatte? Lieber nicht.

"Nein, ich habe kleine Terrarieren, in die die Tiere kommen"

"Wirklich?", fragte sie interessiert. "Wieviele haben sie denn schon?"

"Oh, ich weiß nicht. Bei 150 habe ich aufgehört zu zählen", sagte er und sie bekam große Augen.

"So viele? Das ist ja unglaublich!", sagte sie bewundernd.

"Nun, ich hatte ja auch ein paar Jahre Zeit, mir diese Sammlung anzueignen", sagte er. Sie machte auf ihn nun einen viel ruhigeren Eindruck, was ihn nicht sehr wunderte. Die Natur hatte bisher noch jeden beruhigt.

So kamen sie ungewollt in ein ausgiebiges Gespräch, in der es vor allem um Insekten, Steine und Bücher ging. Sie erzählte so gut wie nichts von sich.

Plötzlich klingelte ihr Handy, das sie mit einem tiefen Seufzer abnahm, nachdem sie auf dem Display die Nummer gesehen hatte.

"Ja?", meldete sie sich, stand auf und ging dann ein paar Schritte von ihm weg, so dass er nur noch ein paar Wortfetzen hörte. "Schon gut...", "Na und?"... "Dann müssen sie eben morgen nochmal vorbeikommen!"... "Das ist mir egal!"... "Da frage ich mich doch, wer hier die Marionette ist!". Mit einem ebenso tiefen Seufzer legte sie wieder auf.

"Probleme?", fragte Sepp und hoffte, dass er nicht zu indiskret wurde.

"Hm", machte sie nur. Ach, was war dieser Nachmittag schön gewesen! So sehr sie sich am Anfang auch angeblafft hatten, so toll war es für sie gewesen, diesem ganzen Rummel um ihre Person einfach mal zu entkommen. Er kannte sie nicht und hatte deshalb ganz normal mit ihr gesprochen, eine völlig neue Erfahrung für sie. Normalerweise kriechten ihr die Leute in den Allerwertesten oder gaben ihr irgendwelche Anweisungen. Das war alles so oberflächlich! So saßen die beiden stumm nebeneinander, bis sich Sepp erhob. 

"Es tut mir leid, aber ich sollte nach Hause gehen, den Leuchtkäfer versorgen", sagte er entschuldigend.

"Natürlich", sagte Ricarda und stand ebenfalls auf. Dabei hätte sie gerne noch viel länger mit ihm gesprochen. "Wenn es ihnen nichts ausmacht, würde ich auf ihrem nächsten Ausflug gerne mitkommen", sagte sie dann. So schnell ließ sie ihn nun doch nicht gehen.

"Sie wollen mich begleiten, wenn ich mich auf die Suche nach Insekten mache?", fragte er und sie hörte ihm an, wie überrascht er war.

"Ja, wenn es sie nicht zu sehr stören würde".

"Nunja, wenn sie nicht mehr so laut sind..."

"Das verspreche ich"

"Nun gut. Warum eigentlich nicht? Am Wochenende gehe ich wieder los, Samstag nachmittag?", fragte er sie.

"Das passt gut", antwortete sie.

"Falls sie es sich doch noch anders überlegen, rufen sie an", sagte er dann und nannte ihr seinen Namen samt Telefonnummer. "Ansonsten treffen wir uns im Uferpark, ja? Wissen sie, wo der ist?"

"Ja, ich denke, ich werde das finden". Dann gab auch sie ihm Namen und Telefonnummer, die er ohne eine Regung entgegennahm. Er kannte sie wohl wirklich nicht!

Nachdem sie am Samstag im Park ein paar Steine und einen Zephyr-Schmetterling gefunden hatten, von dem er sagte, dass es sich dabei um kein sehr seltenes Exemplar handelte, ging er mit ihr noch auf die Aussichtsplattform nicht weit von Sommernachtsbucht entfernt. Sie war schon seit Ewigkeiten nicht mehr hier gewesen.

 

Sie hatten sich auch vorhin wieder wunderbar unterhalten und waren dabei sogar irgendwann zum Du übergegangen.

"Sieh` dir das an, Ricarda! Ist das nicht wunderbar?", fragte er und ging zu dem alten Zaun, der vor dem Abhang schützen sollte.

"Ja", konnte sie nur sagen, weil sie überwältigt war. Grün hatte wohl wirklich eine beruhigende Wirkung, denn so ruhig hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt.

"Du solltest dir immer mal wieder eine Auszeit von deinem harten Job nehmen und einfach in die Natur gehen!", sagte er sanft.

"Mein Job?", fragte sie perplex. Hatten sie von ihrem Beruf gesprochen? Sie war sich sicher, das dem nicht so war. Nun errötete er ganz leicht.

"Nunja, ich habe mal in der einen oder anderen Zeitschrift geblättert", sagte er dann leise. Er schämte sich wohl deshalb, doch sie freute sich sehr darüber.

"Ach so? Nun, ich hoffe aber nicht, dass du alles glaubst, was dort drinnen steht. Genaugenommen stimmt davon etwa 90 % nicht", sagte Ricarda resigniert.

"Dann lebt dein Mann noch?"

"Nein, mein Mann ist vor einiger Zeit gestorben. Herzinfarkt. Doch viele der Schmierblätter wollen ja mir oder meinem Bruder einen Mord anhängen".

"Ja, das habe ich gelesen", sagte Sepp bestürzt. Dann fügte er noch hinzu: "Mein Beileid"

"Danke", sagte sie und blickte über die grünen Wiesen und Hügelketten, die sich scheinbar endlos erstreckten.

"Du bist ein großer Star, oder?", fragte er sie

"Wie man es nimmt. Wenn ich bei dir bin, fühle ich mich jedenfalls endlich wieder als Mensch, da bist du der Star von uns beiden"

"Aber nein", sagte er schüchtern.

"Du weißt soviel über die Insekten und Steine, unfassbar", sagte sie anerkennend.

"Ach, das ist doch nicht so wichtig. Du spielst in vielen Filmen die Hauptrolle und begeisterst damit Millionen von Menschen", meinte er. Ricarda seufzte auf.

"Ich möchte dir deine Illusionen wirklich nicht nehmen, doch genauso viele Leute, die ich begeistere, sind auch neidisch oder hassen mich, glaube mir. Überall. Kollegen, Regisseure, Zeitungsfritzen, die ganz normale Hausfrau von nebenan. Dabei wissen die nichts über mich". Sepp wusste für einen kurzen Moment nicht, was er sagen sollte. Irgendwie war sie ein armes, reiches Mädchen.

"Dann entspanne dich wenigstens jetzt, bevor der Stress wieder losgeht, ja?", sagte er.

In den nächsten Tagen sah er sich immer mal wieder einen Film von ihr an. Sie spielte sehr gut, das sah er sofort. Mal war sie ein schüchternes Mädchen, dann wieder ein Vamp. Kein Wunder, dass sie ein gefeierter Star war.

 

Was wollte sie dann eigentlich von ihm? Wieso verbrachte sie ihre kostbare Zeit in seiner Gegenwart? Er verstand das nicht. Sie war schön und berühmt und er - ein Nichts.

Ricarda ließ ihn nie spüren, dass er, im Gegensatz zu ihr, kein Star war. Und auch wenn er sich eine andere Frisur zulegte und sich neue Klamotten kaufte, fühlte er sich ihr trotzdem noch unterlegen. Nein, das war das falsche Wort. Nicht gut genug für sie. Das war es. Sie war etwas Besonderes, und er nicht. Ganz einfach.

Er musste sie vergessen, sonst würde sein Herz ein weiteres Mal gebrochen werden. Und das war gerade wieder so schön geheilt. Also machte er sich wieder allein auf die Suche nach Insekten. Hier erwischte er einen der seltensten Käfer, die es gab: Den Regenbogenkäfer.

Doch da hatte er die Rechnung ohne die Hartnäckigkeit von Ricarda gemacht, denn eines Morgens klingelte sie an seiner Tür. In einem Raumanzug.

"Ricarda!", sagte er überrascht, als er ihr die Tür öffnete.

"Entschuldige, wenn ich dich schon so früh störe, aber ich habe heute noch einen Dreh und wollte davor noch mit dir reden", sagte sie und selbst in diesem Anzug war sie wunderschön. Eigentlich hätte er sie wegschicken müssen, doch er war nunmal schwach, deshalb bat er sie hinein.

Sie folgte ihm in sein Haus, das sie bisher noch nie betreten hatte. Sepp wurde es sehr mulmig zumute, was ihm deutlich anzusehen war.

"Schön hast du es hier!", sagte sie und blickte sich um. "Diese großen Panoramafenster sind genial! Der Blick von hier aufs Meer ist ja traumhaft!", sagte sie verzückt.

"Ja, ich mag das auch", sagte er und fühlte sich dumm dabei. Klar mochte er das, sonst hätte er das ja sicher nicht so bauen lassen, oder?

"Möchtest du etwas frühstücken? Ich habe gerade Waffeln gemacht", sagte er dann.

"Eigentlich habe ich ja schon... aber gut, eine passt sicher noch rein!", grinste sie und so gingen sie in die Küche, wo auch der Esstisch stand.

"Du trägst deine Haare anders", stellte sie kauend fest.

"Ja, etwas", antwortete er kurz angebunden. Es war ihr also aufgefallen.

"Sieht gut aus", sagte sie nur und aß weiter.

Er räusperte sich verlegen.

"Du wolltest etwas sagen?", lenkte er von seinen Haaren ab.

"Ja, genau", sagte Ricarda. "Sepp, du hast dich in den letzten Tagen etwas rar gemacht", stellte sie fest, doch bevor er etwas sagen konnte, sagte sie: "Ich weiß, dass es nicht einfach ist, mit mir befreundet zu sein, doch ich...". Sie stockte kurz und sah an an ihm vorbei. Was sollte sie nur sagen? Dass sie seine Nähe so sehr genoss, dass sie am liebsten Tag und Nacht bei ihm wäre? "Äh, ich möchte unsere Treffen nicht missen", sagte sie nur. Er atmete tief ein und wieder aus, bevor er sagte:

"Ich auch nicht".

"Wirklich?", fragte sie und begann zu lächeln. Wie könnte er sie nicht mehr sehen wollen?

"Natürlich", sagte er und lächelte zurück.

"Das freut mich!", sagte sie ehrlich. "Dann schlage ich dir morgen ein Treffen im Fitnessstudio vor. Dort gibt es einen tollen Whirlpool und ein Schwimmbecken, das habe ich schon lange nicht mehr gemacht", schlug sie vor und er stimmte zu.

Gott, was hatte er da nur wieder getan! Whirlpool und Schwimmbad bedeuteten Badeanzüge und Bikinis, und in einem besonders knappen Exemplar steckte nun auch Ricarda, als sie zu ihm in den Whirlpool stieg. Sie sah sehr hübsch aus und das verunsicherte ihn wieder.

"Alles in Ordnung?", wollte sie auch prompt wissen.

"Jap, alles klar!", sagte er und tauchte kurz unter Wasser, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Das er noch seine Brille aufhatte, störte ihn dabei nicht, das war nun wirklich das kleinere Übel.

"Sepp?", fragte Ricarda dann sanft und sah ihn mit ihren schönen Augen an. Sie wusste ja, dass er sehr schüchtern war und nahm nun die Zügel etwas in die Hand.

"Ja?", fragte er und blickte ihr tapfer weiter in die Augen.

"Dürfte ich mich... ein wenig an dich kuscheln?". Sepps Herz stolperte kurz aufgeregt, um danach doppelt so schnell weiterzuschlagen. Hatte er sie richtig verstanden? Oder war nur noch zuviel Wasser in seinen Ohren? "Darf ich?", wiederholte sie und er konnte nur nicken.

Also kam sie zu ihm rübergerutscht und er legte seinen Arm um ihre Schultern. Sie schmiegte sich an ihn und legte ihren Kopf auf seine Schulter. So saßen sie minutenlang einfach nur da und er genoss diese Minuten unendlich. Die einzige Geräusche, die sie hörten, waren die Geräusche des Wassers und des Whirlpools. Dann unterbrach Ricarda ihr Schweigen.

"Ich mag dich sehr, weißt du das?", sagte sie und hoffte, dass er ihren schnellen Herzschlag nicht hören konnte.

"Nein, ich... du solltest dir jemanden suchen, der sich mit dir messen kann", sagte er dann ehrlich, auch wenn es ihm sehr schwer fiel.

"Keiner der Kerle da draußen könnte sich je mit dir messen!", sagte Ricarda bestimmt. "Bei dir weiß ich wenigstens, dass ich ein Mensch und eine Frau bin". Sie schien das ernst zu meinen, doch er hakte nochmal nach.

"Meinst du das wirklich?"

"Das meine ich nicht nur, das ist so", sagte sie und sah ihn an. "Doch du scheinst mich nicht sehr zu mögen. Du hast noch nicht einmal versucht, mich zu küssen!". Sepp sah Ricarda nur noch zwei Sekunden an, bevor er sich zu ihr beugte.

Und sie dann endlich küsste!